Dachau, Dezember 2018
Er kam, sprach und überzeugte. Alfred Ringler, DER Moorexperte und DAS Naturschutzurgestein Bayerns hielt am 10. Dezember einen beeindruckenden Vortrag bei der Fachtagung Moor. Organisiert vom Verein Dachauer Moos e.V. kamen neben Landrat Stefan Löwl und dem Vereinsvorsitzenden Bürgermeister Felbermeier über 40 Fachleute und Ehrenamtliche des Naturschutzes und der Landschaftspflege aus den Landkreisen Dachau, München, Freising und Fürstenfeldbruck.
Denn wie das Motto des Vereins Dachauer Moos lautet: „Naturschutz macht nicht vor kommunalen Grenzen halt“. Dies gilt ebenso für den Landschaftsraum Dachauer Moos, der sich von Maisach über Dachau und Schleißheim bis nach Freising erstreckt.
Deshalb betitelte Alfred Ringler seinen Vortrag auch „Von Maisach über Dachau nach Freising – Das Moos gestern, heute und morgen“.
Zunächst beeindruckte er seine Zuhörer mit einer Vielzahl von historischen Ansichten einer ausgedehnten Niedermoorlandschaft, die in ihrer wilden Schönheit vor weit über 100 Jahren eine ganze Künstlerkolonie inspirierte. Anfang des 20. Jahrhunderts zogen dann Fotografen durch das Moos und hielten eine Landschaft fest, die schon damals auch Zoologen und Botaniker in ihren Bann zog.
Biologe und Naturschutzurgestein Alfred Ringler. Ein gefüllter Saal bei lebhaften Diskussionen
Faszinierend, aber auch schockierend waren die Bildvergleiche von früher und heute. Eine Spezialität des gebürtigen Erdingers ist das Aufspüren der Motivstandorte und –perspektiven alter Fotografien. Um die gleiche Perspektive wie damals in der Gegenwart erneut zu fotografieren, steigt er schon mal auf Supermarktdächer und Bäume. Es ist schier unglaublich, wie sich eine Landschaft verändern kann. Aus ehemaligen Torfstichen und Enzianwiesen werden Maisäcker. Aus dahinschlängelnden Flüssen tiefe Kanäle. Aus sprudelnden Bächen Brennessel- und Springkrautfluren.
Weide am Ascherbach westlich Stadtweiher 1910 - (Foto: Carl Olof Petersen) ... und heute - (Foto: A.Ringler)
Torfstich bei Eschenried 1951 (Foto: A. Micheler), ... heute Ackerland (Foto: A. Ringler)
So wunderte es niemand, wieviel der ursprünglichen Mooslandschaft durch Torfabbau, Entwässerung und Landnutzungsänderung verloren ging. Von schätzungsweise 42.000 ha ursprünglicher Moorfläche zwischen Maisach und Freising im Jahr 1850 sind im Jahr 2011 lediglich 1.000 ha, vor Allem im Freisinger, Palsweiser und Fußbergmoos, übrig geblieben. Im gleichen Zeitraum ging das Torfvolumen von 500.000 m³ auf 12.000 m³ zurück, was der unglaublichen Menge von 9 Millionen Tonnen an Kohlenstoff gleichkommt. Der Kohlenstoffverlust aus diesem und den anderen Mooren bedeutet eine Freisetzung klimaschädlicher Gase und hatte bzw. hat immer noch sehr negative Auswirkung auf unser Klima. Mittlerweile ist das Dachauer Moos vor allem Siedlungsraum. Waren 1850 nur etwa 60 ha Niedermoor überbaut, so waren es 2011 bereits 14.200 ha.
Doch Alfred Ringler schaute auch in die Zukunft. Welche Strategien müssen amtliche und ehrenamtliche Naturschützer verfolgen, um die Arten- und Lebensraumvielfalt im Moos nicht nur zu erhalten, sondern auch wiederherzustellen?
Die historische Mooslandschaft mit ihren heute meist verschwunden Tier- und Pflanzenarten lässt sich sicher nicht wieder beleben. Deshalb stellen sich Fragen, wie z.B.
Wo sind grundwassernahe Bereiche? Wo drückt sauberes Quellwasser an die Oberfläche? An diesen Orten könnten beispielsweise wieder verästelte Quellbäche geschaffen werden. Und: Wo lassen sich Bachsümpfe angelegen? Dort könnte eine neue Seggen- und Schilftorfbildung erfolgen. Zur Beantwortung dieser und vieler weiterer Fragen regte Herr Ringler an, im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten vorhandene Gutachten und Kartierungen zusammen zu führen, das Urgrünland zu erfassen und durch Luftbildanalysen die alten Quellsituationen und Almkalklager wieder zu finden.
Zwar werden sich viele ursprüngliche Pflanzenarten, wie die Gebirgs-Aurikel nicht wieder ansiedeln lassen, dennoch ist der Erhalt der wenigen verbliebenen Biotope durch Landschaftspflege unverzichtbar und Artenhilfsmaßnahmen für die gebietstypische, aber vom Aussterben bedrohte Helm-Azurjungfer notwendig. Denn wie Daniel Stöckel, ein aktiver Ehrenamtlicher vom BN meinte. „Alleine im NSG Schwarzhölzl gibt es noch 450 Pflanzenarten, von denen 33 auf der Roten Liste stehen!“
In der sich anschließenden längeren Diskussion wurde deutlich, dass für alle Maßnahmen zunächst die Grundstücksverfügbarkeit hergestellt werden muss und Nachbarschaftskonflikte auszuschließen sind. Grunderwerb im Rahmen von Projekten und für Kompensationsmaßnahmen mit anschließendem Grundstückstausch zum Erhalt größerer Flächeneinheiten sind dabei eine Möglichkeit. Herr Rossa wies zudem auf die bereits großen zusammenhängenden Flächen der Bayerischen Staatsforsten hin. Laut dem moorökologischen Gutachten für das östliche Dachauer Moos, welches im Auftrag der Regierung verfasst wurde, stehen hier die Chancen für eine moorökologische Renaturierung besonders hoch. Die Regierung habe zudem für diese Schwerpunktbereiche ein hydrologisches Gutachten im Rahmen des Klimaprogramm Bayern in Aussicht gestellt.
Alle Anwesenden waren sich einig, dass nur durch ein gemeinsames Miteinander von ehrenamtlichem und behördlichem Naturschutz das Ziel der Wiederherstellung von moortypischen Lebensräumen möglich sei. Der Verein Dachauer Moos wurde gebeten, auch künftig eine Plattform für Informationsaustausch, Maßnahmenabstimmung und Fachvorträge zu sein. Der 1. Vorsitzende des Vereins, Bürgermeister Felbermeier, und der Geschäftsführer Robert Rossa versicherten, dass sie dieser Bitte gerne nachkommen werden. Herr Rossa kündigte auch zugleich für das kommende Jahr eine Fachexkursion ins Freisinger Moos zum Thema Beweidung an.
Schafherde vor dem damals noch lichten Schwarzhölzl (Foto: Prof. Dr. O. Kraus, 1939)